Presseinformation 110/2012

Erster Gesamtentwurf einer künstlichen Augenlinse

KIT-Ingenieurin erhält für ihre Forschung zum Akkommodationssystem den mit 10.000 Euro dotierten Bertha Benz-Preis
Dr. Liane Rheinschmitt erarbeitete ihre Dissertation am Institut für Angewandte Informatik (Foto: IAI)
Dr. Liane Rheinschmitt erarbeitete ihre Dissertation am Institut für Angewandte Informatik (Foto: IAI)

Über die Brechkraftanpassung der Linse (Akkommodation) kann das menschliche Auge auf unterschiedlich weit entfernte Objekte fokussieren, diese Fähigkeit lässt altersbedingt jedoch nach. Für ihre Forschungen zu einem künstlichen Akkommodationssystem erhält Dr. Liane Rheinschmitt vom Institut für Angewandte Informatik (IAI) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) den mit 10.000 Euro dotierten Bertha Benz-Preis. Mit der Auszeichnung würdigt die Daimler und Benz Stiftung einmal im Jahr eine herausragende Promotion einer jungen deutschen Ingenieurin.

Ihre Dissertation „Erstmaliger Gesamtentwurf und Realisierung der Systemintegration für das Künstliche Akkommodationssystem" erarbeitete Liane Rheinschmitt im Team von Professor Georg Bretthauer, Mitglied der kollogialen Leitung des  IAI am KIT-Campus Nord und Leiter des Instituts für Angewandte Informatik/Automatisierungstechnik am KIT-Campus Süd. „Die Arbeit von Frau Rheinschmitt stellt einen wichtigen Schritt auf dem Weg der Realisierung eines Künstlichen Akkommodationssystems dar, das es Menschen mit Alterssichtigkeit oder nach einer Katarakt-Operation ermöglicht, ohne Brille sowohl in der Nähe als auch in der Ferne wieder scharf sehen zu können. Damit können auch ältere Menschen weiterhin voll am gesellschaftlichen Leben teilnehmen“, so Bretthauer.

„Die vorgelegte Arbeit weist Frau Rheinschmitt als Ingenieurin moderner und interdisziplinärer Prägung aus. Ihre Arbeit verbindet grundlegende Fachkenntnisse der Mikrostrukturtechnik und eröffnet ein weites Feld zukunftsweisender medizinischer Einsatzmöglichkeiten", sagte Professor Eike Böhm, Leiter Qualität Mercedes Benz PKW der Daimler AG, bei der Preisverleihung in Heidelberg.

Mit Hilfe der Akkommodation, der Brechkraftanpassung der Augenlinse, kann das menschliche Auge auf unterschiedlich weit entfernte Objekte fokussieren. Diese Fähigkeit lässt altersbedingt nach, ab etwa 45 bis 50 Jahren wird das Lesen ohne Hilfsmittel immer schwieriger. Von dieser Alterssichtigkeit sind weltweit rund eine Milliarde Menschen betroffen, hinzu kommt bei vielen die „Katarakt-Krankheit" (auch „Grauer Star"), bei der sich die Linse eintrübt und operativ entfernt werden muss. Allein in Deutschland werden jährlich rund 600.000 Katarakt-Operationen durchgeführt.
  
Die wissenschaftliche Arbeit von Liane Rheinschmitt legt den Grundstein, ein künstliches Akkommodationssystem auf kleinstem Raum zu realisieren. Dieses könnte bei einer Operation unmittelbar in das erkrankte Auge implantiert werden. Die neuartige mechatronische Linse kann die Fähigkeit des Auges zur Fokussierung auf verschiedene Blickdistanzen vollständig wiederherstellen – die gegenwärtig verwendeten unflexiblen künstlichen Linsen können dies nicht. Dies würde für die Betroffenen einen enormen Gewinn an Lebensqualität bedeuten.
   
Die Preisträgerin wurde in einem mehrstufigen Auswahlprozess ermittelt, ihre Entscheidung begründete die Jury wie folgt: „Die Dissertation besitzt ohne Zweifel gesellschaftliche Relevanz. Der Lebenslauf von Frau Rheinschmitt ist ungewöhnlich und weist ein auf verschiedene Stufen verteiltes beständiges Streben nach höherer akademischer Bildung auf. Ihr interdisziplinärer Werdegang kann auch als Beleg für die Breite ingenieurwissenschaftlicher Forschungsthemen dienen. Mit der Arbeit von Frau Rheinschmitt liegt eine hochklassige Preisnominierung vor." Liane Rheinschmitt wurde 1980 in Magdeburg geboren. Im Jahr 2000 begann sie ein Mechatronikstudium an der Berufsakademie in Karlsruhe, das sie drei Jahre später als Diplom-Ingenieurin BA abschloss. 2004 setzte sie ihren akademischen Werdegang mit einem Maschinenbaustudium an der damaligen Universität Karlsruhe (TH), heute KIT, fort und beendete es im Juli 2007. Ihre Diplomarbeit verfasste sie dabei als GEARE-Stipendiatin (Global Engineering Alliance for Research and Education) an der Purdue Universität in den USA (Indiana). Ihre Dissertation erarbeitete sie am KIT am Institut für Angewandte Informatik und legte sie 2011 der Fakultät für Maschinenbau vor.

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

le, 26.06.2012
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